Text des Booklets....
 
Merry Christmas - Weihnachtsmusik
„Bunte Lichter, Silberzier, Kind mit Krippe, Schaf und Stier“, selbst wenn wir als Erwachsene „Zottelbär und Panthertier“ nicht mehr brauchen, die Sehnsucht nach der heimeligen Atmosphäre der kindlichen Weihnacht bleibt. Hierzu gehörte im 19. Jahrhundert auch das gemeinsame häusliche Musizieren und Singen.
In dieser Absicht schrieb sicherlich H. Ernst Richter seine „Weihnachtsstimmung“ op. 121. Heinrich Lichner sprengt mit seinem „Gruß an das Christkind“ schon etwas diesen Rahmen und lässt den „reisenden Virtuosen“ durchblitzen, entgegen dem Untertitel. Auch Carl Czerny verlangt den Spielern seiner Messias-Adaption einiges ab.
In der neu aufkeimenden Blütezeit sechshändigen Klavierspiels unserer Tage bieten die Kompositionen Maximilian Hofbauers, Amadeus Gatis, Yvonne Enochs sowie die japanischen Bearbeitungen eine reizvoll moderne, oft fern jeglicher Sentimentalität stehende, teilweise fast ironisch anmutende Sichtweise von „Apfel, Nuss und Mandelkern“, die jazzartige Anklänge nicht scheut. Möge der Spaß, den die Interpreten beim Einspielen dieses bunten „Weihnachtskonfekts“ aus aller Herren Länder und verschiedensten Kulturkreisen hatten, sich auch auf die Zuhörer dieser CD übertragen.


Die drei japanischen Bearbeiter Hiroshi Otakara, Kunio Sasaki und Kazushi Suzuki haben in Japan bekannte Weihnachtslieder in spritzigen Bearbeitungen für ein Klavier zu sechs Händen vorgelegt. Eine Auswahl daraus ist hier eingespielt. Da das Fest der Geburt Christi im schintoistisch und buddhistisch geprägten Japan keine religiöse Tradition hat, wurden entsprechend auch die Lieder meist aus Europa und Amerika eingeführt, wie die „Schlittenfahrt“ des Amerikaners Leroy Anderson, Sohn schwedischer Einwanderer. Eines der bekanntesten Weinachtslieder überhaupt, Jingle Bells, wurde in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts von James Lord Pierpont komponiert und hatte ursprünglich nichts mit Weihnachten zu tun. Seinen Siegeszug trat es erst, in veränderter Form, nach 1900 an. Der Film „Merry Christmas, Mr. Lawrence – Senjo no Merii Kurisumasu” aus dem Jahr 1983 mit David Bowie in einer Hauptrolle spielt in einem japanischen Kriegsgefangenenlager von 1942. Die Musik stammt von Ryuichi Sakamoto, einem der erfolgreichsten Musiker Japans, der auch eine Rolle als Schauspieler übernahm. Asei Kobayashi ist ein bekannter Komponist in Japan Präsident und Kompositionslehrer an der PAN School of Music, Tokio. Er ist Direktor der Japan Composer’s Association und der Japan Federation of Composers’ Inc. Der in London geborene John Newton, vor seiner Bekehrung Kapitän eines Sklavenschiffs, schrieb „Amazing Grace“ zwischen 1760 und 1770, auf eine alte Melodie zurückgreifend, die er mölicherweise bei den Sklaven gehört hatte. Irving Berlin schrieb für den 1942 erschienenen Film „Holiday Inn“ mit Bing Crosby und Fred Astair den Titel „White Christmas“, der für 11 Wochen die Nummer eins der Charts werden sollte. Inzwischen wurde er über 30 Millionen Mal verkauft. „Santa Claus is comin’ to town“ von Fred Coots ermahnt die Kinder, brav zu sein, da Santa Claus sie beobachtet und sie sonst keine Geschenke bekommen. Es gibt auch einen gleichnamigen Zeichentrickfilm. “Rudolph the Red-Nosed Reindeer“ wurde 1949 von Johnny Marks ebenfalls zu einem Zeichentrickfilm geschrieben, seitdem trat das Lied seinen Siegeszug an. “Gloria“ geht auf ein altes französisches Weihnachtslied zurück, während das in Japan bekannte „Morobitokozorite (Alle sammeln sich)“ ursprünglich einer Kirchenliedersammlung von Lowell Mason entstammt, ein Thema aus Händels „Messias“ aufgreifend.

Amadeus Gati ist der Künstlername eines ebenfalls auf dieser CD vertretenen noch lebenden Komponisten.

Carl Czerny (1791-1857) hat sehr viel für Klavier komponiert und bearbeitet, besonders im mehrhändigen Bereich. Darunter befindet sich eine mehr als 30 Titel umfassende Sammlung von Bearbeitungen für ein Klavier zu sechs Händen mit dem Titel „Les Trois Soeurs“ op. 609. Diese Reihe scheint so erfolgreich gewesen zu sein, dass sie auch nach Czernys Tod (dann ohne Opuszahl) mit anderen Bearbeitern fortgesetzt wurde und bis zu Brahms‘ Ungarischen Tänzen reicht. Arien und Themen von Rossini, Mozart, Beethoven, Bellini, Donizetti, Haydn und Händel waren das bevorzugte Ausgangsmaterial für die Arrangements.
Als elftes Stück bearbeitete Czerny „Denn es ist uns ein Kind geboren (For unto us a child is born)“ aus dem „Messias (Messiah)“ von Georg Friedrich Händel (1685-1759).

H. Ernst Richter (1805-1876; Ernst Heinrich Leopold Richter) erhielt seinen ersten Musikunterricht in Thiergarten bei Ohlau, Breslau und Berlin, u. a. von Carl Friedrich Zelter. 1827 wurde er Seminarmusiklehrer. Wenige Monate vor seinem 50jährigen Dienstjubiläum verstarb der angesehene Lehrer 1876 in Steinau a.O.
Er schrieb eine Oper, eine Sinfonie für großes Orchester, Kantaten, Motetten, viele Männerchöre, Orgelwerke, Lieder und Klavierstücke, darunter eine Fest-Ouvertüre zu acht Händen.

Yvonne Enoch (1910-1996) wurde als Tochter eines Musikverlegers geboren und lernte das Pianistenhandwerk. Sie entwickelte eine starke pädagogische Neigung, die in Kombination mit ihrer Kinderliebe der Beweggrund war, sich für Klavier-Gruppenunterricht einzusetzen und diesen zu entwickeln. Sie gab Kurse und Vorlesungen in der ganzen Welt und ihre Bücher „Group Piano Teaching“ und „Creative Piano Teaching“ (zusammen mit James Lyke und Geoffrey Haydon) sind immer noch aktuell und werden verlegt. 1960 gründete sie zusammen mit Sheena Fraser den Verlag Fraser-Enoch Publications, der heute von ihrem Sohn geleitet wird.

Heinrich Lichner wurde 1829 in Schlesien geboren und starb 1898 in Breslau, wo er als Organist und Musiklehrer gelebt hatte. Er schrieb eine große Zahl Männerchöre, Lieder mit Klavierbegleitung und Klavierstücke, die wegen „ihres angenehmen Charakters und ihrer leichten Factur eine große Verbreitung gefunden hatten“.

Maximilian Hofbauer (*1956) erhielt eine klassische Musikausbildung in den Fächern Klavier und Schulmusik. Promotion im Fach Musikwissenschaft.
Nach einer internationalen Konzerttätigkeit als Liedbegleiter und der Regiemitarbeit an Opernhäusern in New York, San Francisco, München, Mailand, Dresden und Bayreuth treten seit 1991 verstärkt kompositorische und klavierpädagogische Interessen in den Vordergrund. Als Spezialist für mehrhändige Klavierkompositionen arrangierte er u. a. den Karneval der Tiere von Camille Saint-Saens für zwei Klaviere zu vier bis acht Händen und Instrumentalensemble, wobei in fliegendem Wechsel maximal über 100 Pianisten teilnehmen können.

Christoph Sischka

 
Interpreten
Christian Knebel, Ljiljana Borota,Christoph Sischka,Eriko Takezawa
Veröffentlichung 2002
Titel anspielen (realPlayer benötigt):
1 Sleigh Ride
9 Amazing Grace
12 Rudolph
14 Messias
6 O du fröhliche
36 Stille Nacht
Kritiken....
 
Badische Neueste Nachrichten 23.12.2002
Süßer die Klaviertasten nie klingen
Sie nennen das Ganze schlicht „bunten Weihnachtskonfekt“ und der hätte wohl selbst Altmeister Irving Berlin vorzüglich geschmeckt: Ljiljana Borota, Christian Knebel, Christoph Sischka und Eriko Takezawa bilden das Ensemble „Piano4te“ (www.piano4te.de), haben sich nicht zuletzt als Dozenten in Freiburg und Karlsruhe einen Namen gemacht und legen eine ausgesprochen köstliche Alternative zu einschlägigen Weihnachtsschmonzetten vor: Sie wünscht „Merry Christmas“ und bringt lecker-virtuos Pianistennaschwerk auf den Gabentisch (Ars Produktion FCD 368 428).
Zurück zu Irving Berlin: Der hat bekanntlich mit der Dauerschnulze „White Christmas“ den Gipfel zuckersüßen Weihnachtszaubers erreicht. „Piano4te“ macht im Arrangement von Kunio Sasaki eine flotte Delikatesse draus. Und Gleiches gilt für das ganze und stattliche Festrepertoire, das die vier Virtuosen auf dieser Scheibe ausbreiten, immerhin ganze 37 Nummern, wobei keine Überraschung ausgelassen wird. Wer hätte etwa gewusst, dass Carl Czerny, der Schinder jedes Klavierschülers, die Händel-Arie „Denn es ist uns ein Kind geboren“ aus dem „Messias“ in ein Paradestück für Pianisten verwandelt hat. Nicht nur bei dieser Gelegenheit beweist „Piano4te“ höchste Tastenfertigkeit und musikalische Kompetenz.
Genüsslich wechselt der Hörer von Reißern wie „Jingle Bells“ und „Amazing Grace“ zu Klassikern wie „O Tannenbaum“ oder „Leise rieselt der Schnee“. Selbst aus „Heidschi bumbeidschi“ wird unter flinken Fingern eine amüsante Rarität. Auch unter akrobatischen Gesichtspunkten ist die CD bemerkenswert, denn die Künstler spielen abwechselnd zu sechs Händen an einem Instrument – rundum: eine buchstäblich schöne Bescherung.
uha

Spiegel – Der KulturSPIEGEL, Heft 12, Dezember 2002:

Chöre, Streicher, Popgesäusel, all das ist zu Weihnachten üblich. Hier dagegen spielen sechs Hände von vier Menschen auf. Mit Erfolg: Die Melodien aus aller Welt (wie die Spieler auch) klingen fröhlich-festlich und halten vor bis nächstes Jahr.
Johannes Saltzwedel

Piano News 6/2002

Das Thema von Christi Geburt reizte schon immer die Komponisten, bis in unsere Tage. Und so haben sich die vier Pianist/innen des Ensemble Piano4te gedacht, man müsste einmal die alten neben die neuen Werke stellen. Nicht weniger als 37 Stücke haben sie unter dieser Vorgabe zusammen gestellt. Und die Arrangements sind bestens gelungen. Sofort stellt sich bei der sensiblen Ausdeutung vorweihnachtliche Stimmung ein. Sei es bei Schlagern wie „Sleigh Ride“ und „Jingle Bells“ oder bei Volksliedern wie „O Tannenbaum“ und „Oh, du fröhliche“ oder den ernsthaften Werken wie „Denn es ist uns ein Kind geboren“ aus Händels Messias und „Kommet, ihr Hirten“. Die leicht hallige Klangfärbung der Aufnahme ist hervorragend für diese Stimmung geeignet. Eine CD, die endlich einmal für jeden Klavierenthusiasten eine echte Alternative zu Weihnachten bietet. Dass das Ganze auch noch orchestral groß klingt, liegt halt daran, dass Eriko Takezawa, Christian Knebel, Ljiljana Borota und Christoph Sischka jeweils sechshändig an einem Flügel sitzen.
Carsten Dürer